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Zitate zu Ausstellungseröffnungen
Jürgen Rennebach hat als Künstler seine ganz eigenen Zugänge und Wahrnehmungen. Diese aber sind dem rationalen Weg der Welterkenntnis ebenbürtig. Der Künstler sieht die Welt mit seinen Augen, er erfasst vieles intuitiv, ja hellsichtig, was bei anderen über den Kopf läuft. Wenn einer dann, wie Jürgen Rennebach, sein Handwerk so gründlich ausgebildet hat, stoßen wir auf eine Bildsprache, die nicht nur formal stimmt. Hier hat einer mit Witz, Ernst und Poesie, aber auch mit Frechheit und Mut zum Konventionsbruch Bilder gemalt, die uns etwas zu sagen haben.
Als Maler bevorzugt Jürgen Rennebach eine ganz eigene Mischtechnik und mittelgroße Bildformate. Er zeichnet sich durch eine nahezu traumwandlerische Sicherheit in Komposition und Farbe aus. Ausgesprochen interessant ist die Vielfalt der dargestellten Motive. Rennebach spielt locker mit Wahrnehmungsgewohnheiten und führt in die Irre. Rätselhafte Bildtitel locken den Betrachter in Deutungslabyrinthe, aus denen er nur durch ein assoziatives Sich-Treiben-Lassen herausfindet. Die Gewohnheit, zuerst das Schildchen neben dem Bild und dann erst dieses anzuschauen, wird nicht belohnt. Denn die Titel erklären zumeist nichts, sondern sind poetische Brücken. Die Bildunterschriften sollen gelegentlich beunruhigen und das Nachdenken anregen. Sie sind bewusst mehrdeutig gewählt.
Rennebachs Bilder geben Rätsel auf. Und Landschaft wird nicht einfach abgemalt, sondern Erinnerungsspuren werden spannungsvoll gestaltet, Farbfläche gegen Farbfläche gesetzt, mit einer deutlichen Neigung zu gesteigerter Abstraktion. Bei einigen Gemälden wird diese derart vorangetrieben, dass die Gegenstandswelt weitgehend verlassen wird. Gerade dadurch regen die erkennbaren Bildstrukturen die Phantasie an. Diese Arbeiten würde ich unter der Bezeichnung „Metaphysische Landschaften“ zusammenfassen.
Es sind ungewöhnliche Blickwinkel und Konstellationen, die neben einer delikaten Farbigkeit Rennebachs Bilder so interessant machen. Dies gilt auch für seine Darstellungen des nackten weiblichen Körpers. Keine Akte im landläufigen Sinne sind das, sondern man fühlt sich zuweilen als Betrachter in Geschichten oder Konflikte hineingezogen, deren Ausgang man nicht in jedem Falle miterleben möchte.
Walter Martin Rehahn (Kunstwissenschaftler und Theologe) Halle an der Saale
Die stürzenden, auffahrenden Perspektiven, fliegende, vordrängende Körper, Brüste, hoch gestrecktes, helles Bein, kompaktes Becken, manieristisch verundeutlichte Motive, manche mit Symbolischem im farblichen Klang und drehende Schiffsschrauben, welche die Träume, die sich in der „Niemandsbucht“ ausstrecken können, zerschneiden.
Prof. Dr. Peter Arlt
(Kunstwissenschaftler)
Gotha
Ihre Bilder haben mich sehr beeindruckt. Angetan hat es mir besonders ihre Malerei und unter diesen Bildern ziehen mich die stark abstrahierten und farbigen Landschaften besonders in ihren Bann. Die reduzierte Darstellung und die intensive Farbigkeit treffen den Betrachter mit großer emotionaler Wucht. Und sie zeigen die langjährige Erfahrung, die absolut sichere Hand des Künstlers. Jedes Farbfeld, jeder Pinselstrich sitzen genau dort, wo sie sitzen sollen. Ich bewundere jeden Maler, der die Gabe hat, solche Welten entstehen zu lassen. Ihre persönliche Energie und Dynamik werden auch in Ihren Bildern sichtbar.
Dr. Alice Selinger
(Kunsthistorikerin)
Dreieich bei Frankfurt/Main
Sogar Picasso hat Besseres geschaffen als diese Bilder. Unanständig und Quatsch! Nehmen Sie mal Malunterricht.
Mrs. Karin Amantchlah
Los Angeles, CA
Traum und Realität in wunderschönen Farben und mit großer einfühlsamer Fantasie dargestellt, Leidenschaft kontrastiert mit Kühle – eine großartige Ausstellung!
Gudrun Jahn
Sondershausen
„Rotverlichtung“. Ausstellung Jürgen Rennebach – Malerei und Grafik – im Thüringer Landtag zu Erfurt. Vernissage am 20. September 2016
Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren,
mit dem Titelbild dieser Ausstellung, „Rotverlichtung“ (2003), gibt uns der Künstler Jürgen Rennebach ein zweifaches Rätsel auf. Zunächst mit der Gemälde-Collage selbst. Unvermittelt stoßen da abstrakte, helle und bräunlich-dunkel strukturierte Farbflächen aufeinander und bilden so eine Art X. Rechts scheint es goldgelb durch das Dunkel, unten sieht man ein kleines rotes Dreieck. Dem antwortet ein größeres, ebenfalls rot, das von oben ins Bild stößt. Schaut man genau hin, so entdeckt man darin eine kopfüber abstürzende Figur. Aber was ist die Bedeutung? Vielleicht hilft uns ja der Bildtitel weiter? Doch schon stehen wir vor einem weiteren Rätsel: „Rotverlichtung“. Weiß jemand, was das ist? Kennt jemand das Wort?
Natürlich wäre es das Einfachste, den Künstler selbst zu fragen, was er damit meint. Aber dem hat dieser schon rechtzeitig einen Riegel vorgeschoben. Auf seiner Website juergen-rennebach.de findet sich vorab ein lapidares Motto. Es ist ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe und lautet: „Bilde, Künstler, rede nicht!“ Daran hält sich Jürgen Rennebach, was seine Kunst betrifft. Er wird uns also keine Auskunft geben. Denn er hat schon alles gesagt. Nur in einer anderen Sprache als die, die wir aus dem allfälligen Gerede kennen.
Durch seine hohe Abstraktion ist „Rotverlichtung“ ein sehr offenes Kunstwerk. Das heißt, es gibt nicht die eine verbindliche Interpretation, sondern Sie könne Ihre ganz subjektive Sicht an das Bild herantragen. Dabei gibt es kein „richtig“ oder „falsch“. Gegen Ende meiner kleinen Einführungsrede werde ich nochmals auf dieses Bild zurück kommen.
Doch zuvor etwas zum Künstler selbst. Ich möchte Ihnen Jürgen Rennebach aus Nordhausen in zweifacher Weise vorstellen, zuerst mit einem Bild und dann mit einigen Sätzen zu seiner Biographie. Das Bild „Untersicht des Überfliegers“ (2012) scheint mir ein ironisches Selbstportrait zu sein. Es hängt hier im Eingangsbereich zur Ausstellung. Jürgen Rennebach ist zu bescheiden, um sich selbst als „Überflieger“ im landläufigen Sinne zu sehen. Wenn er aber doch über uns hinweg schwebt, dann mit schreckensweiten Augen und angstvoll aufgerissenem Mund. Vielleicht geht es ihm wie dem Seiltänzer, von dem später noch die Rede sein wird: Gelingt ihm die Balance und hat er Erfolg, so ist das erfreulich. Aber immer bleibt er vom Absturz bedroht, sei es in der Gunst des Publikums oder der des Vorgesetzten. Nun kurz zur Biographie des Künstlers.
Von Kindheit an hat Jürgen Rennebach, geboren 1960, gezeichnet und gemalt. Zusammen haben wir in der Altstadt von Nordhausen Fachwerkhäuser aufs Papier gebracht, die heute längst verschwunden sind. Als junger Mann hat er sein Handwerk grundsolide, „von der Pike auf“, gelernt, zunächst als Werbegestalter und dann als Theatermaler in Nordhausen. Später studierte er an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei namhaften Lehrern Szenografie. Als Bühnen- und Kostümbildner hat er dann an den verschiedensten Theatern in Deutschland gearbeitet, u. a. in Bochum, Halle und Schwerin. Später war Jürgen Rennebach als Ausstellungsgestalter und Schöpfer von Architekturmodellen tätig. So hat er das wohl schönste Modell des Salomonischen Tempels in Deutschland geschaffen; es befindet sich im Canstein Bibelzentrum in Halle. Hier in Erfurt haben wir zusammen vor 14 Jahren die Dauerausstellung „Bibel – Kloster – Luther“ im Augustinerkloster konzipiert und realisiert, die noch heute zu sehen ist.
Seit 2006 leitet Jürgen Rennebach ideenreich und umsichtig das Museum „Tabakspeicher“ in Nordhausen. In all den Jahren hat der Künstler sein Handwerkszeug gründlich ausgebildet, verfeinert und eine große formale Sicherheit gewonnen. Komposition, Zeichnung und der Einsatz der Farbe bilden bei ihm stets eine spannungsvolle Einheit. Unerschöpflich scheint sein Ideenvorrat zu sein, ungebrochen ist die beeindruckende Sicherheit im Umgang mit Farben und Formen. Gerade die Bilder aus den letzten Jahren haben noch an Leuchtkraft gewonnen. Ich möchte über sie nicht allgemein, sondern anhand konkreter Beispiele reden, selbst wenn Sie jetzt vielleicht nicht jedes Bild sehen können.
Anfangs vollzog sich die Motivsuche Jürgen Rennebachs in unspektakulären Bereichen des Lebens, so etwa bei „Clemens in der Unterwelt“ (2005). Wem von uns war es nicht unheimlich, wenn man als Kind in einen dunklen Keller geschickt wurde? So scheint es auch dem kleinen Clemens in diesem Bild zu ergehen. Aber seine Angst wird womöglich noch durch die dunklen Schatten von zwei Menschen gesteigert, die sich in das schwach erleuchtete Viereck vor ihm schieben. Eine beklemmende, vieldeutige Situation und wir können nur hoffen, dass die Sache gut ausgeht.
Bleiben wir noch einen Moment bei diesen unheimlichen Situationen oder Gegenständen. Da wird uns in einem Bild das aufgesägte Fragment eines menschlichen Schädels in einer musealen Situation präsentiert. Möglicherweise steckt makabre Ironie in dieser Arbeit von 2012, die „Entwichen“ heißt. Entwichen ist in der Tat aus diesem Schädel so ziemlich alles: Hirn, Leben, Seele und Geist. Es ist eine Anspielung auf unsere Vergänglichkeit, die ihre literarische Entsprechung vielleicht in Hamlets Nachdenken über Yoricks Schädel hat.
Ganz anders „Sera“ (2015). Unschwer zu erkennen – ein Seitenkanal in Venedig. Hohe Häuser, eine Brücke, einige Boote. Natürlich eine Gondel mit Gondoliere. Das könnte leicht zum Kitsch geraten. Aber genau dies ist hier vermieden. Eine stille Atmosphäre ist in dem Bild eingefangen. Der Titel Sera (italienisch: Abend) gibt uns einen wichtigen Hinweis. Es ist Abend in Venedig, die Touristenmassen haben die Stadt verlassen und die letzte „Aida“ hat abgelegt. Die alte Königin der Meere kann aufatmen und ihre Bewohner können sich entspannen. Bis zum nächsten Tag.
Ein viertes Beispiel für die Bandbreite und Vielfalt der Bildmotive Jürgen Rennebachs: „Das östliche Tor“ (2015). Eine karge, fast öde Landschaft in dunstig-milchigem Licht. Links ein herbstlicher Baum, der uns einen Ast mit wenigen Blättern entgegenstreckt. Rechts der Mitte ein Strommast ohne Leitungen, wie ein Relikt einer untergegangenen Zivilisation. Dazwischen, ganz in der Ferne, ein Tor, das asiatisch anmutet. Wie ein Zeichen steht es in der Landschaft, wie ein Symbol. Darüber im Dunst die Andeutung einer Sonne. Es liegt eine eigenartige Stimmung über dieser Gegend, die die Nachdenklicheren zum Verweilen einlädt. Der Philosoph Gernot Böhme äußerte einmal den Gedanken, dass sich uns die Bilder über Atmosphären erschließen. Wer sich Zeit nimmt, entdeckt, dass sie sogar oft philosophische Dimensionen enthalten. Deshalb nenne ich eine ganze Werkgruppe der Arbeiten von Jürgen Rennebach Metaphysische Landschaften. Hierzu gehören in der Ausstellung zum Beispiel „Niemandbucht“ (2007), „Der Wegweiser“ (2014) oder „Das Rätsel der Tiefe“ (2015).
Doch mit „Bikini-Atoll“ (2015) setzt er noch einen ganz anderen Akzent. Landschaft ist hier eher in Andeutung zu sehen, eindeutig ist nur das Meer und der Himmel. Der wird dominiert von einem großen Flugzeug, das über uns hinweg in den Bildraum donnert. Der Titel suggeriert scheinbar Bekanntes, eben den Bikini. Den Älteren aber ist vielleicht noch geläufig, dass das Bikini-Atoll ein Teil der Marshall-Inseln im Pazifik ist. Dort fanden in den 40er und 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts zahlreiche Kernwaffen-Tests der USA statt. So wie das Flugzeug im Bild platziert ist, ruft es die Angst vor der Bedrohung durch Atomwaffen wieder in uns wieder wach. Und diese ist durchaus aktuell, denn Nordkorea droht ja unentwegt mit dem atomaren Erstschlag.
Eine ganz andere Welt eröffnet uns „Zarathustras Traum“ (2015). Mit sparsamen Mitteln, in Kohle und Acryl, wird der Blick von unten auf eine Seiltänzerin gezeigt. Gelbe Flächen, ein kleiner roter Akzent und ansonsten die flatternden Gewänder, die vielleicht die Angst vor dem Absturz ausdrücken. Was hat das mit Zarathustra zu tun? Wer das berühmte Buch von Friedrich Nietzsche gelesen hat, wird sich an den Seiltänzer in Kapitel 6 der Vorrede erinnern. Dieser war gerade dabei, seine Kunst dem Volk auf dem Markt vorzuführen, als ein böser Possenreißer ihn provoziert und seinen Sturz vom Seil bewirkt. Zarathustra ist Zeuge dieses Unglücks.
Zitat Nietzsche: „Zarathustra aber blieb stehen und gerade neben ihn fiel der Körper hin, übel zugerichtet und zerbrochen, aber noch nicht todt.“ Der Sterbende zieht ein trauriges Resümee seines Lebens: „Ich bin nicht viel mehr als ein Thier, das man tanzen gelehrt hat, durch Schläge und schmale Bissen.“ Aber Zarathustra tröstet ihn: „ […] du hast aus der Gefahr deinen Beruf gemacht, daran ist Nichts zu verachten. Nun gehst du an deinem Beruf zu Grunde: dafür will ich dich mit meinen Händen begraben.“ [zitiert nach Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra, Kritische Studienausgabe, Berlin. New York (2. Aufl.) 1982, S. 22] Ob das ein Trost ist, weiß ich nicht. Mir scheint, dass Jürgen Rennebachs Zarathustra etwas anders geartet ist. Er träumt davon, dass eine Frau auf dem Seil tanzt und das diese nicht herunterfällt, auch wenn sie die Gefahr zu ihrem Beruf macht und sicher Angst hat.
Damit bin ich, wie versprochen, wieder beim Titelbild. Sie erinnern sich, auch in dem Bild „Rotverlichtung“ gab es einen Abstürzenden. Als Titelbild einer Ausstellung im Thüringer Landtag könnte es eine Warnung enthalten. Denn auch und gerade in der Politik ist man vor Abstürzen nicht sicher, wie man in diesem Hohen Hause gewiss weiß. Und das Farben in der Politik einen Symbolwert haben, brauche ich hier nicht zu betonen. Es schwingt also viel mit, wenn man rot sieht. Das Bild „Rotverlichtung“ ließe sich somit durchaus auch politisch interpretieren. Denn die Farbformen scheinen sich konfrontativ zu begegnen, allerdings ohne einem Schwarz-Weiß-Schema zu verfallen. Es ist eine komplexe Situation, die durch das eindringende Licht von links aufgehellt wird, eben als „Rotverlichtung“. Dieses aber als politisches Statement zu verstehen, wäre zu billig.
So manches andere Bild des Künstlers würde auch gut hier in den Landtag passen. Titel wie „Vaterlandslumme“ (2006), „Maske und Macht“ (2006) oder „Überhangmandate“ (2012) machen sicher neugierig. Aber diese Bilder befinden sich längst im Besitz von privaten Sammlern.
Ein letzter Aspekt sei noch genannt: Jürgen Rennebach hat ein herzhaft-unverkrampftes Verhältnis zu Erotik. Davon ist in der Ausstellung hier fast nichts zu sehen. Diese Seite seines Schaffens können Sie aber an einigen Beispielen in der Erfurter „Galerie am Hirschgraben“ studieren. Eine verhaltene Andeutung des Themas Erotik gibt es jedoch auch hier, in Gestalt der Arbeit „Leuchtender Abgang“ (2009). Auch wenn Sie das Bild jetzt nicht vor Augen haben, sobald Sie es sehen, werden Sie schmunzeln. Da braucht man nichts zu erklären oder zu interpretieren. Es steht für Witz, Frechheit und den Mut zum Konventionsbruch, der sich in vielen Bildern Jürgen Rennebachs vollzieht.
Mein Wunsch wäre, dass Sie sich Zeit nehmen für seine Arbeiten, die viel zu sagen haben, wenn man sich auf ihre Bildsprache einlässt. Wenn Sie dann nachdenklich und mit einem Schmunzeln die Ausstellung verlassen, hat diese ihren Sinn erfüllt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!!
Walter Martin Rehahn
Autor und freier Dozent mit Lehrauftrag für Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg